Lexikon Reichelsheim (Odenwald)

  • Titel_21
  • Titel_22
  • Titel_23
  • Titel_24
  • Titel_25
  • Titel_26

  Baumschule Werner

Baumschule 1

Der Gründer Philipp Wilhelm Werner (* 01.03.1880 Reichelsheim, † 19.01.1952 Reichelsheim) war verheiratet mit Babette (* 18.05.1882 Reichelsheim, † 03.02.1960 Darmstadt), geb. Feick, aus der Herrnmühle.

Baumschule 2 k
Philipp Wilhelm Werner
Foto: Archiv Rudolf Erdbrink

Schon früh wusste er, dass er nicht allein von der Land­wirt­schaft werde leben können und beschloss, den land­wirt­schaft­lichen Ertrag seines elterlichen Anwesens in der Bismarck­straße 32 durch den Anbau von Sonderkulturen zu erhöhen. Er legte Obst­plan­tagen an und begann, Tafelobst zu züchten. Über Inserate in Zeitschriften bewarb er es, weil Privatleute erstklassiges Obst besser bezahlten. Er nahm an Obstausstellungen teil und bald wurden seine Früchte in alle Teile Deutschlands verschickt. Er besuchte Veredlungs­kurse und arbeitete in verschiedenen Baum­schulen der Niederlande, Belgiens und Luxemburgs.

Im Jahr 1904 gründete er den Baum­s­chul­­betrieb aus kleinsten Anfängen. Gleichzeitig mit den Obstplantagen begann er mit der Aufzucht und Vermehrung von Obstbäumen.

Um das Jahr 1910 legte er die ersten Erd­beer­plantagen in der „Michelbach“ und am Krautweg an. Er war damit der Erste, der den feldmäßigen Anbau der Erdbeeren im Odenwald einführte. Es waren die Sorten „Laxtons Noble“ aus Holland sowie die Sorte „Madame Moutot“ im Jahr 1911 aus Frankreich.

Auch Johannis­beeren und Him­beeren wurden geerntet und zum Verkauf gebracht. Der Verkauf von Erdbeerjungpflanzen kam hinzu.

Baumschule 4 k
Erdbeerernte
Foto: Archiv Marianne Rösel

Zur Erntezeit beschäftigte er neben den vier bis fünf Arbeitern mehrere Frauen aus dem Ort.

Unermüdlich wurde an dem Aufbau des Baumschulbetriebs gearbeitet und dieser vergrößerte sich von Jahr zu Jahr. Wegen des zunehmenden Versandgeschäftes wurde die Scheune in der Bismarckstraße zu klein und in der „Michelbach“ eine größere Feldscheune erbaut, die als Packhalle diente. Bis 1928 wurden dort Sendungen von Obstbäumen, Erdbeerpflanzen und Beerensträuchern verpackt und zum Bahnhof der Reinheim-Reichelsheimer Eisenbahn gebracht. Damals wurden
sieben Arbeiter, zwei Büroangestellte und zwei Familienangehörige beschäftigt.

Baumschule 5 k
Wohnhaus in der Heidelberger Straße 15
Foto: Archiv Marianne Rösel

Im Jahr 1929 wurde ein Grundstück in der Heidelberger Straße 15 erworben und dort ein Wohnhaus sowie eine große Scheune als Packhalle errichtet und im Jahr 1930 bezogen.

Philipp Wilhelm Werner war es vergönnt durch Fleiß, Ausdauer und kluger Geschäftstüchtigkeit sehr viel im Leben zu erreichen. Er hat zehn Morgen Land von den Eltern übernommen. Im Laufe der Jahre hat er 21 Morgen Äcker dazugekauft und zwölf Morgen dazu gepachtet, so dass der Betrieb im Jahr 1950 eine Größe von 43 Morgen umfasste. Der Betrieb hatte sich zu einem der bedeutendsten Baumschulen in Südhessen entwickelt und hatte einen exzellenten Ruf.

1950 fand die Übergabe des Baum­schul­betriebes an den Sohn Walter Georg Werner (* 11.11.1919 Reichelsheim, † 21.02.1995 Reichelsheim) statt. 1957 entstand für vier Beschäftigte ein neuzeitliches Landarbeiterhaus mit Schlafzimmern, Dusch- und Waschraum sowie einen Aufenthaltsraum mit Radio- und Fernsehapparat auf dem Grundstück in der Heidelberger Straße. 1960 konnte das Gebäude auf dem Nachbargrundstück (Nr. 17) erworben werden, in dem weitere zwei in der Baumschule beschäftigte Familien wohnen konnten.

Baumschule 6 k
Nachbargrundstück Nr. 17
Foto: Wolfgang A. W. Kalberlah

Im Frühjahr 1956 erhielt der Betrieb von der Firma Stark Brothers Nurseries & Orchards Company aus Louisiana (Missouri) das Allein­verkaufs­recht in der Bundesrepublik für die Apfelneuheit „Stark Earliest“. 1959 brachte Walter Werner die Erdbeerneuheit „LIHAMA“, eine Frühsorte, in den Handel, wurde patentiert und brachte der Baumschule Vertriebsverträge in vielen Ländern Europas ein. 1985 wurde die Baumschule aus Altersgründen des Besitzers verpachtet und Ende der 1990er-Jahre aufgegeben. Feldscheuer, Wohngebäude und Ackergelände wurden verkauft. Die Wirtschaftsgebäude wurden zu Geschäften umgebaut und im ehemaligen Wohnhaus zog bis 2022 die „Reichenberg-Apotheke“ ein.

 

 

 

Verantwortlicher Autor:
[Erdbrink, Rudolf]