Lexikon Reichelsheim (Odenwald)

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  Prellsteine

 Prellstein 2 k
Bismarckstraße
Foto: Dieter Färber
Prellstein 1 k
Ecke Bismarckstr./
Rodensteiner
Straße

Foto: Dieter Färber

„Ich habe gerade noch die Kurve gekratzt", ist ein alter, sicherlich bekannter Ausdruck. Dabei hat diese Redewendung heute eine ganz andere Bedeutung als früher: Man hat bei einem oft überraschenden Ereignis Glück gehabt und es kam ganz anders, oft besser als erwartet. Sie geht zurück in die Zeit der Kutschen und sperrigen Wagen. Die Kutscher hatten damals noch keine staatlich geprüfte Fahrlizenz und waren oft sehr eilig unterwegs. Dementsprechend trieben sie ihre Gefährte mit den eisenbereiften Rädern durch die engen Gassen, schnitten die Kurven und kratzten dabei die Hauswände und Hausecken auf. Daher kamen die Gebäudebesitzer auf die Idee, Haus(ecken)abweiser aufzustellen, um das Gebäude, den Verputz oder gar das hölzerne Fachwerk zu schützen. Auch an Hofeinfahrten wurden sie verwendet.

Die Abweiser werden offiziell als Prellsteine bezeichnet, oft auch als Abweissteine, Radabweiser, Radstößer oder Kratzsteine bezeichnet. Sie bestanden aus hartem Gestein, um den Eisenreifen der Räder standhalten zu können. Aber auch Metall und gelegentlich sogar Holz kamen zum Einsatz. Anfangs waren die Prellsteine schlicht und einfach gearbeitet. In Reichelsheim finden sich in der Regel solche unverzierten Steine. Seit der Renaissance wurden an herrschaftlichen Bauten und Amtsgebäuden dann zunehmend auch verzierte Steine verwendet.

Prellstein 4 k
Mühlsteine als Abweiser
in der Darmstädter Straße
Foto: Dieter Färber
 Prellstein 3 k
Beerfurther
Straße
Foto: Dieter Färber

In Reichelsheim finden sich noch heute an mehreren Stellen solche Prellsteine, besonders in kleinen, schmalen Gassen und Straßen. Sie sind in Straßenkurven, an Hausecken und besonders an Hofeinfahrten aufgestellt. Hierzu hat man die zumeist runden und kegelförmig oder konisch geformten Abweiser nach oben hin verjüngt und abgeschrägt. Zudem hat man sie oft klein gehalten, damit sie unterhalb der Wagenachse lagen. So gelang es, die eisenbeschlagenen Räder der Kutschen und Wagen am Radstößer abgleiten zu lassen, ohne dass das Rad durch den Stein blockiert wurde. Spuren und Kratzer wurden jedoch am Prellstein zumeist sichtbar hinterlassen.

Durch das Abgleiten des Rades am Prellstein, sollte auch die immer etwas vorstehende Radnabe am Fahrzeug geschützt werden, da bei einem Auf- oder Anprall die gesamte Achse beschädigt worden wäre.

Von den noch vorhandenen Abweissteinen im Reichelsheimer Straßenbild hat ein Teil seine ehemalige Größe eingebüßt, da sie mit Pflastersteinen ummantelt wurden.

Prellstein 5 k

Großer Prellstein an der Ecke
Brühlstr./Brückenstraße in Beerfurth
Foto: Wolfgang A. W. Kalberlah

Verantwortlicher Autor:
[Färber, Dieter]