Pfarrhaus I
Das älteste Pfarrhaus der Michaelsgemeinde, in dem seit der Reformation lutherische Pfarrer wohnten, wurde vor über 500 Jahren im vorderen Teil des damaligen Marktplatzes (heute Rathausplatz 1) errichtet. Das Pfarrhaus mit dem Pfarramt 1 wurde in den vergangenen Jahrhunderten wiederholt erneuert, verbessert und verschönert. Nach Überlieferungen hatte es zunächst besonders unter dem Dreißigjährigen Krieg und seinen Folgen zu leiden. So waren in den Jahren 1622/23 und später 1695 bis 1700 Reparaturen notwendig. 1726/27 führten die inneren und äußeren Umgestaltungen nahezu zu einem Neubau des Gebäudes. Die dabei verwendeten Steine stammten zum größten Teil von den Fundamenten des im Jahre 1573 abgebrochenen Beinhauses und einer Scheune, die 1726 zur Erweiterung des Kirchhofs angekauft und niedergelegt worden war.

Blick von der Bismarckstraße mit dem
Denkmal für die Gefallenen des
Krieges 1870/71
Foto: Archiv RRO-FAR-1-01-003 RE
Zu wesentlichen Veränderungen am Haus kam es 1812, als es so sehr gealtert war, dass es einzufallen drohte. Der überwiegende Teil des Hauses wurde abgebrochen und neu aufgebaut. Um 1837 gehörten zu dem Anwesen das Pfarrhaus selbst mit Anbau (Taxation im Grundbuch: 1.000 fl.), Scheuer, Ställe und Schoppen (220 fl.) sowie Wasch- und Backhaus und Schweineställe (50 fl.). In diesem Jahr waren als „Ständige Beschwerden“ (Zehnter) an die Grundherrschaft, in diesem Fall an die „Rentey Reichenberg“ abzuführen: 1 Huhn (entspricht dem Gegenwert von 20 Kreuzer) und 1 Simmer 1 ¾ Gescheid Hafer (46 Kreuzer). In den Jahren 1850/51 wurde es dann wieder gründlich renoviert, insbesondere der Eingang von der breiten auf die schmale Seite verlegt. Seit etwa dieser Zeit waren die Pfarrer durch die Einführung eines allgemeinen Besoldungsrechts nicht mehr auf die Nutznießung des großen Pfarrgutes angewiesen und die Pachteinkünfte werden seither zentral verwaltet.

Foto: Archiv RRO-FAR-2-02-042 RE
Die überflüssig gewordenen Wirtschaftsgebäude des Pfarrhauses wurden 1852 entfernt und der damit gewonnene Platz zur Erweiterung des Hausgartens genutzt. Im Brandkataster über die Gebäude der Gemeinde Reichelsheim werden jetzt nur noch das zweistöckige Pfarrhaus, das einstöckige Waschhaus, die Schweineställe, eine Holzremise und ein Anbau (Brandversicherungswert 14.300 Mk.) erwähnt. Eine alte Zwetschendörre, die große Kaminanlage und einen Backofen beseitigte man erst 1912. Zu diesem Zeitpunkt erhielt das Gebäude elektrisches Licht. 1990 bis 1992 erfolgte eine gründliche Renovierung.
Literatur:
Gemeindevorstand der Gemeinde Reichelsheim (Odenwald), 700 Jahre Reichelsheim im Odenwald - Vom Marktflecken zur Großgemeinde, ISBN 3-00-010145-4, 2002, S. 603 f., GAR, RRO
Karl Schwinn, Die evangelische Kirche zu Reichelsheim im Odenwald, 1978, evangelische Kirchengemeinde Reichelsheim im Odenwald, Seite 28
Grundbuch der Gemeinde Reichelsheim von 1823 – 1856 (GAR Reichelsheim XXI., K 41, 42, 43)
Verantwortlicher Autor:
[Meyer, Joachim]