Lexikon Reichelsheim (Odenwald)

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  Kino

Kinosaal 1939
Das neu gestaltete Kino im Jahr 1939
Foto: Heidi Tritsch

Ab 1919, als die Stumm­film­ära be­gann, führ­te Philipp Weimar aus Reichelsheim im Tanz­saal des Gast­hauses „Zum Löwen“ im Krautweg Filme vor. Mit Schreiben vom 24. April 1919 wurde ihm die „widerrufliche Erlaubnis zur Errichtung eines Kinos in dem Saale des Herrn Philipp Tritsch aus Reichelsheim [...] erteilt”, von dem er den Saal gepachtet hatte. Ab 1927 übernahmen Friedrich und Marie Tritsch den Kinobetrieb, richteten einen Vorführraum ein und im Saal zeigten sie professionell Filme mit Klavierbegleitung von Fritz Werner zum Eintrittspreis von 25 Pfennigen. Die Notbeleuchtung wurde mit Rüböl betrieben und zur Heizung des Kinos befand sich in der oberen Ecke ein Kohleofen. Die zunächst nur am Wochenende stattfindenden Vorführungen waren gut besucht, die „Reichelsheimer Lichtspiele“ waren geboren.

Um 1930 begann die Tonfilmära und Fritz Tritsch gab 1937 sein Debüt als Filmvorführer; das Kino war etabliert. 1939 fand die letzte Tanzveranstaltung – ein Faschingsball – statt und kurz vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs wurde der Tanzsaal in ein „richtiges“ Kino umgebaut. Der Saal erhielt eine Schräge und eine feste Bestuhlung. Während des Krieges erhielt Marie Tritsch den Betrieb aufrecht. 1943 wurde der Eingang mit dem Vorraum errichtet. Noch während des Krieges, aber besonders in den Jahren nach Kriegsende, mussten die Besucher in der kalten Jahreszeit neben ihrem Eintritt ein Stück Holz oder Brikett mitbringen, damit die Dampfheizung betrieben werden konnte.

In den 1950er-Jahren boomte der Betrieb. 1955 wurde nochmals umfassend renoviert und das Kino erhielt den Namen „Löwen-Lichtspiele“. Fast täglich fanden Vorstellungen statt.

Mit dem Fernsehen gingen die Besucherzahlen zurück. Trotzdem war es den Inhabern ein Anliegen, das Kino zu erhalten. In den siebziger Jahren übernahmen Fritz und Erna Tritsch den Betrieb; 1991 stiegen die beiden Töchter der Inhaber mit ein. 1993 hielt mit einer Dolby Surround Anlage modernste Technik im Kino Einzug. 2013 lief die Reichelsheimer Kinotradition aus. Hohe Investitionen für die Umstellung auf digitale Vorführtechnik und die notwendige Erneuerung des Dachs standen in keinem Verhältnis zur Wirtschaftlichkeit des Kinobetriebs.

 

Literatur:
- Gemeindevorstand der Gemeinde Reichelsheim (Odenwald), 700 Jahre Reichelsheim im Odenwald - Vom Marktflecken zur Großgemeinde, ISBN 3-00-010145-4, 2002, S. 356

- GAR Reichelsheim XXIII K 1 F 3 und 4

 

Verantwortliche Autoren:
[Lode, Gerd; Tritsch, Heidi]