Lexikon Reichelsheim (Odenwald)

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  Ehemaliges Gasthaus „Zur Sonne“

Einst existierte in der Darmstädter Straße 6 das Gasthaus „Zur Sonne“, dort, wo sich heute ein Parkplatz befindet. Der erste Wirt war Johann Adam Dingeldein III., Metzger und Gastwirt (* 03.08.1847 Reichelsheim, † 10.04.1927 Reichelsheim). Am 15. Oktober 1872 heiratete er die Reichelsheimerin Eva Bangert (* 15.01.1852 Reichelsheim, † 21.03.1932 Reichelsheim). Sie stammte aus dem Haus Bismarckstraße 44 (Bangerts-Metzger) und war die Tochter des Johann Peter Bangert, Metzger zu Reichelsheim, und der Katharina Elisabetha Hermann. Johann Adam Dingeldein III. war das jüngste von den 13 Kindern des Schmittsbauern Johannes Dingeldein II. und hatte das Metzgerhandwerk erlernt. Er übte diesen Beruf zunächst als Metzger bei Hausschlachtungen aus und hatte sein Gewerbe 1871 angemeldet („Schlächter um den Lohn“). Am 1. November 1876 erwarb er zusätzlich die Erlaubnis als „Zäpfer von Wein, Obstwein, Bier und Branntwein“ und seit dem 3.  März 1880 war er auch noch „Viehhändler mit kleinem Vieh“ („Viehhändler im Kleinen“ = Kälber, Schafen, Ziegen, Schweine).

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Das Gasthaus um 1911 von Süd-Osten
gesehen

Foto: Archiv RRO-FAR-3-06-043 RE

Zuerst lebte er mit seiner Frau und den sechs Kindern noch im Elternhaus, dem Schmitts­bauernhof, bis er 1893 ein Haus kaufen konnte und sich selbstständig machte. Dieses Haus in der Darmstädter Straße 6 mit der alten Katasternummer 57/3 und der um 1871 gültigen Adresse „Chaussee drunne, Nr. 214“ wurde 1829 von  Leonhard Österling erbaut und schon zwei Jahre später an die Judenfamilie Lösermann/Meier/Joseph verkauft. Diese betrieben vor allem Viehhandel im Kleinen und im Großen, waren Makler, und der letzte von ihnen dort ansässige Leopold Joseph III. wird als „Metzger ohne Laden“ genannt.

Beschrieben wird das Anwesen 1829 als Wohnhaus 900 fl., Scheuer 200 fl.; dann 1858 als Wohnhaus 2stöckig, Scheuer, Stallung, Schoppen und Waschhaus; im Jahre 1902 wird noch ein Nebenbau mit Laden und Schweinestall genannt; der ganze Brandkatasterwert betrug damals 14.700 Mark. Laut Volkszählung von 1871 wohnte Abraham Meier Joseph mit acht Personen in diesem Haus.

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An Stelle der Scheune - hier um 1911 -
steht
heute das Wohnhaus am hinteren
Ende des
Parkplatzes
Foto: Archiv-RRO-FAR-4-01-013 RE

Von Leopold Joseph III. erwarb nun Johann Adam Dingeldein III. im Jahr 1893 dieses Haus, das nach ihm den Haus­namen "Adams" trug. Er betrieb dort eine Metzgerei und die Gastwirtschaft „Zur Sonne“. Er baute Schweineställe und ein Schlachthaus, die vorher nicht vorhanden waren. Wenn er halbwüchsige Schweine bekommen konnte, kaufte er diese und zog sie mit den Abfällen aus der Gastwirtschaft groß. Das war günstiger, als fette Schweine für die Metzgerei zu kaufen.

Am 1. April 1900 übernahm der älteste Sohn Johannes Dingeldein II. (* 27.03.1873 Reichelsheim, † 04.04.1905 Reichelsheim) als Metzgermeister und Gastwirt das väterliche Anwesen mit allen Gewerben. Am 20. Juli 1899 heiratete er in Reichelsheim Katharina von Stein (* 10.09.1876 Neunkirchen, † 14.06.1957 Reichelsheim). Sohn Georg Dingeldein (* 05.01.1905 Reichelsheim, † 04.05.1992 Reichelsheim) war Metzger und Wirt im väterlichen Anwesen, hatte am 28. November 1929 in Reichelsheim Elisabeth Dingeldein (* 09.11.1910 Frohnhofen, † 13.11.2000 Reichelsheim) geheiratet und führte sowohl die Gaststätte und als auch die Metzgerei von 1935 bis 1939.

Am 7. Mai 1939 heiratete die Tochter Anna Margaretha (* 29.05.1907 Reichelsheim, † 30.12.1996 Reichelsheim) aus der zweiten Ehe von Katharina Dingeldein in Reichelsheim Philipp Beck (* 10.07.1903 Fürfeld, † 14.03.1976 Lindenfels), die gemeinsam die Gastwirtschaft übernahmen, wobei die Metzgerei nicht mehr weitergeführt wurde. Das Gasthaus „Zur Sonne“ wurde ab 1972 von Sohn Willi Beck weitergeführt, der das Gebäude später niederlegen ließ, im hinteren Teil des Anwesens ein Gebäude errichtet und dort zusammen mit seiner Frau Christa eine Gastwirtschaft betrieb, die am 30. April 1990 geschlossen wurde.

 

Verantwortlicher Autor:
[Kalberlah, Wolfgang A. W.]