Lexikon Reichelsheim (Odenwald)

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  Christuskirche

Bei der Reformation waren die Menschen in den Erbacher Landen lutherisch geworden. Mit der neu entstandenen Kirche des Großherzogtums Hessen im Jahr 1806 trafen sie dann mit reformierten und unierten Gemeinden zusammen. Danach drängte die allgemeine Entwicklung in der Ausbildung der Pfarrer und Religionslehrer sowie in der Gesetzgebung zu einer einheitlichen Kirche in Hessen hin. Als am 6. Januar 1874 eine neue Verfassung für die evangelische Kirche im Großherzogtum Hessen in Kraft trat, setzten sich insbesondere lutherische Pfarrer dagegen zur Wehr und verweigerten deren Annahme. Infolge dessen wurden sie ihres Amtes enthoben. Zu ihnen zählte auch der damals in Reichelsheim tätige Pfarrer Gerorg Anthes (* 15.02.1821 Erda, † 22.03.1901 Reichelsheim), dem eine kleine Schar getreuer Anhänger folgte.

Seit dem 8. August 1875 feierten Pfarrer Anthes und die Christen, die sich ihm anvertraut hatten, ihre Gottesdienste in einem größeren Saal im unteren Teil des Schlosses auf dem Reichenberg. Die eigentliche Schlosskapelle war nur als Ruine erhalten geblieben, die der Dreißigjährige Krieg hinterlassen hatte. Es wurde eifrig an der Ausgestaltung des sogenannten „Betsaales“ gearbeitet, der am 3. Oktober 1875 eingeweiht wurde.

Christuskirche 1 k
Die Evangelisch-lutherische Christuskirche
am 26.03.2017
Foto: Wolfgang A. W. Kalberlah

Nachdem die Gemeinde über zehn Jahre dort ihre Gottesdienste gefeiert hatte, entstand der Wunsch, einen richtigen Kirchenraum zur Verfügung zu haben. Aus dem Jahre 1888 ist ein Briefverkehr mit dem Graf von Erbach erhalten, aus dem hervorgeht, dass die Gemeinde beabsichtigte, die Ruine der Kapelle wieder als Gottesdienstraum herzurichten. Dass es dazu nicht kam, hing unter anderem damit zusammen, dass der Graf anscheinend die Kapelle nicht in den Besitz der Gemeinde übergehen lassen wollte. So war es der Gemeinde zu unsicher, ob sie das Gotteshaus auch auf ferne Zukunft würde nutzen können.

Der Wunsch nach einer Kirche blieb bestehen, und weil der Weg zum Schloss beschwerlich, im Winter sogar gefährlich war, entschloss man sich zum Neubau unten im Dorf. Zunächst wurden zwei Grundstücke gekauft, die damals noch ganz am südlichen Rand Reichelsheims lagen. Architekt Treusch aus Baden-Baden, der aus der Bockenröder Mühle stammte, wurde mit der Planung betraut. Schon am 13. Mai 1889 war der Spatenstich und am 26. Juni 1889 wurde der Grundstein gelegt. Die heutige Adresse ist: Krautweg 12. Es war damals ein Mittwoch, als nachmittags um 16 Uhr die Einweihungsfeier stattfand, alle fünf Pfarrer der Schwester-Kirchen waren zugegen.

Christuskirche 2 k
Blick vom Krautweg zum
Turm mit dem Eingang,
18.11.2020
Foto: Wolfgang A. W. Kalberlah

Die zu erwartenden Kosten für den Kirchenbau überstiegen bei weitem das Finanzaufkommen der kleinen Gemeinde. Es wurde fleißig nach Spendern gesucht. Man verschickte Spendenaufrufe im In- und Ausland. Die Spendenaktion war erfolgreich: Den Einnahmen von 36.892,80 Mark standen am Ende nur 37,90 Mark höhere Kosten gegenüber.

Der Kirchbau dauerte nur gut ein Jahr. Am 14. August 1890 war die Einweihung der „Evangelisch-Lutherischen Christuskirche“. Das Gebäude mit zahlreichen neugotischen Elementen wurde aus weißem Sandstein errichtet, der in einem Steinbruch oberhalb des Weilers Spreng gebrochen worden war. Das Kirchenschiff besticht durch seinen freundlichen Altarraum. Das Kreuz auf dem Turm besteht aus einem kräftigen senkrechten und einem gleichstarken Querstab. Die Enden tragen kleeblattartige Verzierungen. Der Knopf ist kugelförmig und hat einen schmalen Wulst.

Zu Beginn riefen drei Glocken aus dem Turm zum Gottesdienst. Sie waren in der Glockengießerei Andreas Hamm, Frankenthal, entstanden und erklangen in den Tönen g-h-d. Die beiden größten von ihnen mussten im Ersten Weltkrieg abgegeben werden und kamen nicht wieder zurück. So erklingt heute nur noch die d-Glocke mit ihrem Gewicht von 153 kg, einem Durchmesser von 80 cm und der Inschrift „Meine Schafe hören meine Stimme und ich kenne sie und sie folgen mir und ich gebe ihnen das ewige Leben“ sowie „Sursum corda“

 

Verantwortlicher Autor:
[Wendel, Horst]