Lexikon Reichelsheim (Odenwald)

  • Titel_21
  • Titel_22
  • Titel_23
  • Titel_24
  • Titel_25
  • Titel_26

  Schneidmühle in der Herrnmühle

Am 25. März 1867 erwarb Adam Feick (* 22.12.1841 Wersau, † 29.05.1928 Reichelsheim) nach 12-jähriger Pachtzeit die Herrnmühle aus dem Erbacher Besitz. Der Mühle, die im Jahr 1513 entstand, waren ein Sägewerk (Schneidmühle) und eine Bäckerei angeschlossen. Das Anwesen befindet sich bis heute im Familienbesitz. Die Schneidmühle existierte bereits, als Adam Feick die Herrnmühle übernahm.

Um 1900 verfügte die Mühle über drei Wasserräder: Zwei trieben die Mahlgänge an und das dritte war für das Sägegatter der Schneidmühle installiert. Es handelte sich um zwei oberschlächtige Räder, die ihren Wasserzulauf  je nach Bedarf über eine hölzerne Rinne erhielten, sowie ein unterschlächtiges Rad. Die Kraftübertragung erfolgte in allen Fällen mittels Transmissionen wie sie teilweise nach wie vor noch in der Herrnmühle zu sehen sind. Das Wasserrad für das Sägewerk trieb sowohl das Sägegatter selbst als auch den Vortrieb für den Gatterschlitten und eine Kreissäge an.

Schneidmuhle 2 k
Die Schneidmühle an der Darmstädter
Straße mit dem Brückenzu-
gang über dem Mühlgraben, dort, wo
sich heute der Verkauf befindet.
Foto: Wolfgang A. W. Kalberlah

In dieser Schneidmühle wurden Bretter, Balken und auf der Kreissäge Latten im Lohn geschnitten. Sie befand sich im direkten Anschluss in südöstlicher Verlängerung der Getreidemü. Damit konnten die Baumstämme direkt an der Darmstädter Straße angeliefert und abgeladen werden, dort wo heute der Laden errichtet ist. Auf diesem Lagerplatz (siehe Bild) wurden sie mittels Schäleisen geschält und über die breite Holzbrücke mit dem Wendering in die Schneidmühle und auf den Gatterschlitten gerollt. Da das Vertikalgatter nur ein Sägeblatt aufwies, musste der Stamm entsprechend dem gewünschten Endprodukt nach jedem Schnitt mehrmals versetzt bzw. gedreht werden.

Abfälle im eigentlichen Sinne fielen in diesem Betrieb nicht an. Das geschnittene Holz wurde vom Auftraggeber wieder abgeholt. Gleichzeitig konnte er zum Beispiel bei Eichenstämmen das Sägemehl für seine eigene Räucherkammer mitnehmen, die es in nahezu jedem Bauern- und in vielen Privathäusern gab. Nicht benötigtes Sägemehl diente als Einstreu im Stall oder zum Heizen der Mühle ebenso wie Holzabschnitte und die geschälte Rinde.

Schneidmuhle 1 k

Blick von der Darmstädter Straße:
Hinter dem Mühlstein befindet sich der
Mühlgraben, dahinter links das Gebäude
der Mahlmühle und rechts der Eingang
zur Schneidmühle
Foto: Wolfgang A. W. Kalberlah

Im Laufe der Jahre veränderte sich der Antrieb sowohl für die Getreide- als auch die Schneidmühle. Das Jahr 1911 brachte eine generelle Erneuerung: Das Wasserrad für die Säge und das benachbarte für einen Mahlgang wurden durch eine gemeinsame Francis-Schachtturbine ersetzt; das Gebäude des Sägewerks wurde verlängert. Die Laufschienen für den Gatterschlitten waren nun 13,75 Meter lang und das Gatter selbst wurde statt über einen jetzt über zwei Stößel angetrieben, was einen geringeren Materialverschleiß bedeutete.

In der großen Sommertrockenheit des Jahres 1924 wurde ein 12 PS Einzylinder Modag-Mitteldruck­-Dieselmotor zur Ergänzung der Wasserkraft eingebaut.

1964 wurde das noch verbliebene Wasserrad ebenfalls durch eine Turbine (Ossberger Durchströmturbine) ersetzt, da sie einen größeren Wirkungsgrad als der herkömmliche Antrieb aufwies.

1981 wurde der Betrieb des Sägewerkes eingestellt und an dieser Stelle mehrere Silozellen für Getreide errichtet.

 

 

Verantwortlicher Autor:
[Feick, Harald]