Lexikon Reichelsheim (Odenwald)

  • Titel_21
  • Titel_22
  • Titel_23
  • Titel_24
  • Titel_25
  • Titel_26

  Die Westendlinde und der Westendbrunnen

Bis vor etwas mehr als 200 Jahren lag Reichelsheim fast komplett nördlich des Mergbachs. Nachdem die Gemeinde sich über den Mergbach nach Süden ausgedehnt hatte und gleichzeitig in der Zweiten Kammer der Landstände des Großherzogtums Hessen der Bau einer Provinzialstraße durch das Gersprenztal beschlossen und zwischen 1838 und 1845 realisiert worden war, veränderte sich der Straßenverlauf durch Reichelsheim, und in Richtung Gumpen entstand ein neuer Straßenabschnitt, der heute Teil der Heidelberger Straße ist. Dieser Abschnitt hatte den Vorteil, dass der steile Steinbickel nicht mehr überwunden werden musste.

Westend 1 k
Straßenverläufe 1873:
links: Alter Weg,
rechts: Heidelberger Straße;
beim Klick auf die Karte
ist das Grundstück
Lösermann zu erkennen
Foto: Horst Wendel

Daraus resultierte, dass zwischen den heutigen Hausnummern Heidelberger Straße 24 und 26, dort, wo sich am westlichen Ende des Orts die alte und die neue Straße teilten, der ehemals nach Gumpen führende Weg zum Alten Weg wurde. Entlang der neuen Straße wurde eine Bebauung möglich.

Die Bewohner des neuen „Westends“ hatten allerdings in der Nähe ihrer Häuser keinen Brunnen, um ihnen Trinkwasser zu liefern. Mehr als 30 Jahre dauerte dieser Missstand und 1873/74 berieten sie, diese Not durch einen Brunnenbau zu beseitigen. Dazu bot sich die Spitze von Altem Weg und Heidelberger Straße auf dem Grundstück von Nathan Lösermann an und sie kauften ihm einige Quadratmeter davon ab. Für den Erwerb hatten sie eine Sammlung veranstaltet, die 11 Gulden und 42 Kreuzer erbrachte.

Westend 2 k
Westendlinde und Brunnenabdeckung
(davor)
Foto: Horst Wendel, 2005

Die Spender für den Brunnen waren: Lorenz Bauer, Georg Bickelhaupt, Georg Daab, Peter Hörr VI., Leonhard Hörr VI., Jakob Lannert, Peter Krämer, Leonhard Krämer, Karl Krämer,  L. Krämer, Jakob Lang II., M. Lautenschläger, Tierarzt Renner II., Philipp Seippel, Georg Treusch II., Sebastian Weimar,  Jakob Volk, Georg Weber I., Jakob Wendel II. und ungenannte Bekannte von Tierarzt Renner.

Den Bau des Brunnens mit Pumpe übernahm die Gemeinde.

Da der Sammlungserlös mehr als den Kaufpreis für das Gelände ausmachte, beschaffte man für den Rest des Geldes über den Baumhändler Kraus eine junge Linde aus Groß-Gumpen, die dem Pumpbrunnen Schatten spenden sollte. Am 24. Februar 1874 wurde die kleine Linde an dem neuen Brunnen gepflanzt. Der Brunnen lieferte sehr gutes Trinkwasser, bis er 1893 überflüssig wurde, nachdem die Gemeinde das öffentliche Wasserleitungswassernetz in Betrieb genommen hatte. Der Brunnen wurde mit einer Sandsteinplatte abgedeckt. Das Lindenbäumchen aber steht noch heute am Eingang zum Alten Weg und ist in dieser Zeit zu einer stattlichen und formschönen Linde geworden.

2005 wurde die Heidelberger Straße erneuert. Dadurch konnte ein Teil des oberen Brunnenrandes freigelegt und der Radius des Brunnens rechnerisch mit 84,1 cm ermittelt werden.

 

 

Verantwortlicher Autor:
[Wendel, Horst]