Marktplatzbrunnen in Reichelsheim
Die Brunnen, die früher Mensch und Vieh mit Wasser versorgten, sind heute ausnahmslos verschwunden und weitgehend auch in Vergessenheit geraten. Als sich die Gemeinde Reichelsheim 1893 zum Bau einer gemeinschaftlichen Wasserleitung entschloss, hatten damit die Brunnen ausgedient. Auf dem ehemaligen Marktplatz der Kerngemeinde (heute Rathausplatz) befand sich einst ein Ziehbrunnen. Zusätzlich existierte in unmittelbarer Nähe noch der Klosterbrunnen. Ob beide sogar identisch waren, lässt sich nicht mehr nachweisen, da ihre genaue Lage unbekannt ist. Später wurde ein Springbrunnen (= Laufbrunnen) geplant. Auch seine genaue Örtlichkeit ist unbekannt. Über alle Brunnen, von denen es keine bildlichen Dokumente gibt, ist aus alten Unterlagen beziehungsweise Erzählungen Folgendes bekannt:
Klosterbrunnen und Ziehbrunnen:
Am Marktplatz, und zwar am so genannten Bergelchen, stand in alter Zeit ein Kloster, zu dem ein Brunnen gehörte. Als Stätte desselben gilt das Gebiet der ehemaligen Hofreite zwischen Bertsch/Walter (Bismarckstraße 39) und dem alten Zent- und Rathaus (heute Regionalmuseum Reichelsheim Odenwald). Er heißt seit Menschengedenken der Klosterbrunnen. Über ihn wird berichtet: „Ehemals ging eine Wasserleitung von dem Schlossbrunnen in Eberbach nach dem Ziehbrunnen auf dem Markte und von diesem nach dem tiefer gelegenen Klosterbrunnen, um den beiden letzteren im Falle anhaltender Trockenheit Wasser zuführen zu können. Der Klosterbrunnen ist in einem bescheidenen Raum zwischen Wohnhaus und Scheune zu suchen, wo eine kleine Bodenerhebung in der Ecke rechts seine Stelle bezeichnet. Er ist 50 m tief, in seinem unteren Teil in den Fels eingehauen und nach oben mit starken Quadern ausgemauert. Das sehr feste Fundament einer im Übrigen verschwundenen dicken Mauer in demselben Gelass erinnert gleichfalls an vergangene Zeiten. Die ringförmige Schutzmauer des Brunnens aus rotem Sandstein ist nicht mehr vorhanden. Als Ziehbrunnen war der Klosterbrunnen, was gerne betont wird, oben ,doppelt breit'. In seinen letzten Jahren stand eine Pumpe darin, doch wurde er 1893 wegen Inbetriebnahme der Gemeindewasserleitung außer Dienst gestellt und mit Erde ausgefüllt“.
1825 berichtete Bürgermeister Dingeldein, dass der starke Gebrauch des Gemeindeziehbrunnens auf dem Marktplatz dazu geführt hat, dass die vor mehreren Jahren neu angebrachte Kette so abgenutzt ist, dass beinahe jeden Tag berichtet wird, dass die beiden Eimer mit der Kette in den Brunnen fallen, diese wieder herauszuholen koste jedes Mal 15 Kreuzer. So musste eine neue Kette erstellt werden. Der Kostenvoranschlag dafür fiel jedoch sehr hoch aus, so dass die Kreisverwaltung in Erbach eingeschaltet wurde. Diese entscheid: „Sie werden unter Zuziehung der Schmiedemeister benachbarter Zünfte eine öffentliche Versteigung veranstalten, den Betrag für eine Kette im nächsten Voranschlag wahren und die Kosten einstweilen aus dem Reserverfond bestreiten.“
Springbrunnen:
Am 10. Juli 1827 stimmten die Gemeinderäte in Reichelsheim darüber ab, einen Springbrunnen auf dem Marktplatz anzulegen, da es endlich Zeit wäre dem Wassermangel im Ort abzuhelfen. Die Mitglieder des Gemeinderats mussten zu dieser Frage einzeln Stellung nehmen und entschieden sich mehrheitlich für den Bau. Für den Brunnen sollte die Quelle an der Crumbacher Hohl in einer ordentlichen Brunnenstube neu gefasst und das Wasser, das „von guter Qualität“ war, auf den Marktplatz geleitet werden. Der Kostenvoranschlag für die gesamte Brunnenanlage betrug 159 fl 50 kr. Am 28. Juli 1828 wurden die Arbeiten für den Brunnen an Jakob Volk für 2 kr per Schuh versteigert. Offensichtlich ließen die Ausführungen des Baus jedoch auf sich warten, denn am 20. November 1830 wendete sich der Landrat an den Bürgermeister, mit dem Bemerken, dass die Herstellung eines Springbrunnens in Reichelsheim nicht länger verschoben werden könne. Gründe für die Gesundheit und das öffentliche Wohl erforderten dieses. Der Bürgermeister habe zuverlässig dafür zu sorgen, dass der Bedarf an dem zu fällenden Holz, sowohl hinsichtlich der Deicheln, als für Geldbedarf unfehlbar reserviert bleibe.
Literatur:
Gemeindevorstand der Gemeinde Reichelsheim (Odenwald), 700 Jahre Reichelsheim im Odenwald - Vom Marktflecken zur Großgemeinde, ISBN 3-00-010145-4, 2002, S. 511 ff., GAR
Gemeindearchiv: Reichelsheim XV, K 5
Ernst Hieronymus, Wasserversorgung in Reichelsheim und den Ortsteilen - früher und heute -, 1996, GAR
Wolfgang A. W. Kalberlah, 450 Jahre Zent- und Rathaus in Reichelsheim (Odenwald), April 2004, S. 33 f., GAR, RRO
Verantwortlicher Autor:
[Kalberlah, Wolfgang A. W.]